Fazit: Nie wieder ‚Schland‘

Alors, wir sind uns darüber im Klaren, dass diese Broschüre keine umfassende oder auch nur hinreichende Analyse der Ideologie des Nationalismus darstellt. Unser Anliegen ist vielmehr darin begründet, einen kritischen Diskurs eben mit der Absicht einer weiterreichenden gesellschaftlichen Analyse anzustoßen. Die Kritik im Sinne der Aufklärung kann hier nur thesenhaft formuliert werden. Trotzdem haben wir einen Begriff von dem, was falsch ist. Jeder Gedanke, der in Wahrheit nur Mythos ist und den Menschen das individuelle Glück verwehrt, soll als solcher aufgedeckt und verneint werden.

Es ist für uns nicht akzeptabel in einer Zeit zu leben, in welcher der Widerspruch zwischen dem, was an Wohlstand aller möglich wäre, und dem, was gesellschaftliche Realität ist, so offensichtlich, aber trotzdem nicht erkannt ist. Wir leben nicht in einer Zeit, in der Ernteausfälle oder Naturkatastrophen das menschliche Schicksal bestimmen, sondern vor Allem die Irrationalität des menschlichen Zusammenlebens für das Elend verantwortlich zu machen ist.

Der Nationalismus trägt hierbei eine stützende Rolle indem er den Individuen etwas von der Selbstachtung zurückzahlt, welche die alltäglichen Unzumutbarkeiten der kapitalistischen Welt den Einzelnen überhaupt erst wegnimmt.

Im Sinne der Standortkonkurrenz werden Individuen nationalen Interessen untergeordnet und lediglich nach ihrer Fähigkeit, irgendeinen Vorteil für die Nation zu erwirtschaften, beurteilt. Da nationaler, wirtschaftlicher Erfolg in aller Regel Bedingung für den individuellen Erfolg ist, werden individuelles und kollektives Interesse identisch. Die Menschen werden nach ihrer Verwertbarkeit eingeteilt. Wer keinen oder wenig Mehrwert schafft, ist nach dieser Logik unwert und lästig. Die Menschen werden nicht einfach dafür geschätzt, dass und wie sie sind. Diese, in den gesellschaftlichen Verhältnissen veranlagte, tägliche Kränkung, wird nicht als solche erkannt, sondern die Individuen suchen die Schuld ihrer vermeintlichen Unzulänglichkeit bei sich selbst. Da alle bei der sich verselbstständigten Logik des Nationalen mitmachen, scheint der Beitrag zum Kollektiv nicht ausreichend. Die Nation bekommt hierbei einen höheren Stellenwert als das Glück der Individuen. Die Nation wird zum Leitmotiv. Wer dieses nicht verfolgt oder verfolgen kann wirkt in dieser Gesellschaft nicht integrierbar und somit „schlecht“. Dabei ist die deutsche Geschichte ganz objektiv betrachtet kaum etwas, worauf man sich positiv beziehen könnte. Im Unterschied etwa zur französischen Nationalstaatsbewegung war der deutsche Nationalimus in seiner Feindschaft zum Code Civil von jeher antiaufklärerisch. Großmachtgehabe, Porajmos und Shoa sind eindeutige Argumente für diese These. Goethe und Herder, Varusschlacht und Kant wiederrum können nur als Teil der deutschen Geschichte betrachtet werden, wenn die Konstruktion von nationaler Geschichte überhaupt erst einmal anerkannt wird.

Gerade durch den Nationalsozialismus ist offener Nationalismus im Allgemeinen verpönt. Doch die Unterscheidung zwischen gutem Patriotismus und schlechtem Nationalismus ist hinfällig. Die grundlegende Falschheit beruht, wie Adorno ausführt, nicht in der Abwertung fremder Gruppen, sondern in der Identifikation mit der eigenen Gruppe.

Die Unreflektiertheit der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland über diesen Sachverhalt ist offensichtlich. Statt die Probleme und Widersprüche, die das Konzept Nation mit sich bringt, zu hinterfragen, machen alle mit. Die Nation wird einfach als „natürlich“ behauptet und bietet so eine Identifikationsmöglichkeit für all diejenigen, die schon dazu gehören ohne viel machen zu müssen (nicht einmal nachdenken). Ein nationales Kollektiv wird durch die Schaffung von In- und Outgroups bestätigt. Es ist klar definiert wer dazu gehört und wer nicht. Aus der Exklusivität entsteht Ausschluss. Wer nicht Teil davon ist, muss sich anpassen oder wird mit allen Mitteln ausgeschlossen. Aufgrund der spezifischen deutschen Vergangenheit ist der Nationalismus hier in der Regel codiert und wird nicht offen ausgelebt. Der Fußball ermöglicht so eine Codierung, in der das bürgerliche Subjekt seinem Drang nach dem Nationalen freien Lauf lassen kann, ohne als Nazi abgestempelt zu werden. Weltmeisterschaften bieten durch die doppelte Identifikation mit Fußballmannschaft und Nation sogar eine potenzierte Kompensation der eigenen beschädigten Psyche. Nationalismus ist die notwendige Einstellung all derer, die sich nicht kritisch zur kapitalistischen Gesellschaft positionieren, um die, durch sie zugefügten, Verletzungen der Psyche stückweit wieder gut zu machen. Das erklärt die Attraktivität, wieso selbst Leute, die sonst nicht Fußball interessiert sind, so sehr mit der Deutschen Nationalelf miteifern.

Klar ist, dass nicht alle Nazis sind, die mit Deutschlandfahne auf der Fanmeile stehen, aber es sind Nationalist_innen. Und Nationalismus ist niemals, auch nicht beim Fußball, unverfänglich. Die aktiv ausschließende Komponente, die Einteilung von Menschen in Freund und Feind und nicht zuletzt die Grenzverschiebung zum rechten Rand, sind ein gefährliches Potenzial der Deutschlandeuphorie, die seit einigen Jahren immer während Fußballgroßereignissen stattfindet.

Der deutsche Nationalismus drückt sich nicht nur in rechtsradikalen Subkulturen und der konkreten physischen Bedrohung für vermeintlich „Fremde“ aus, sondern ist ein gesellschaftliches Prinzip der bürgerlichen Welt. Standortkonkurrenz, Wettbewerb, Exklusivität und behördlicher/alltäglicher Rassismus. Die Totalität der normativen Vorstellungen von dem, was „deutsch“ ist und was nicht, wird durch Zwang den Individuen aufgedrückt. Für uns ist die Falschheit der gesellschaftlichen Konstitution unerträglich.

Für eine Gesellschaft ohne Mythen!

Freie Assoziation statt kollektivem Wahn!

Das gute Leben für alle!

Für den Communismus!