Aufruf zur Demonstration „Allez, les enfants! Gegen Nation und Mythos“
Seit einigen Jahren ist es üblich, dass im Zusammenhang mit Fußballgroßereignissen viele Deutsche auf Public-Viewings und Fanmeilen in ein Schwarz-Rot-Goldenes Fahnenmeer getränkt gemeinsam Fußball schauen und hoffen, dass „Wir“ gewinnen. Auch das private Umfeld wird mit den deutschen Nationalfahnen nach außen sichtbar geschmückt und die Autos mit Wimpeln verziert („Es ist EM/WM, da macht man das halt so.“) Auf die Frage, woher diese Begeisterung für den Fußball bei internationalen Turnieren komme, werden oft Aussagen wie folgende getroffen: „Man ist Deutscher und da ist man stolz auf sein Land.“ Schnell wird klar, es geht hier oft gar nicht oder nur nachrangig um Fußball. Es geht um die Nation. Dem Fußball kommt hierbei eine Schlüsselrolle im deutschen Nationalismus zu. Das hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Erstens wird Fußball als „Volkssport“ begriffen, also als etwas, das dem kulturellen Code der Deutschen eigen ist. Zweitens waren die deutschen Fußballnationalmannschaften in der Vergangenheit einigermaßen erfolgreich, es kann sich also damit positiv assoziiert werden. Nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg wurde das „Wunder von Bern“ als Erlösung von der Schmach der Niederlage wahrgenommen. „Endlich sind wir wieder wer“ wurde seitdem zur gängigen Formel, wenn Erfolge im internationalen Fußball erzielt wurden. Drittens ist es unverfänglich den Nationalismus, der in Deutschland seit dem Ende des Nationalsozialismus in Verruf geraten ist, unter dem Vorwand „Es ist doch nur Fußball“ auszuleben.
Oft kommt es zur Forderung nach einem unverkrampften Nationalismus, welcher zu jedem Einzelnen dazugehöre, einfach mal auszuleben.
Es ist Tatsache, dass in der Krise des Kapitalismus bürgerliche Ideologien anscheinend nicht nur gestellt, sondern desto aggressiver propagiert werden, je unsicherer die Situation des materiellen Wohlstands aller ist. So spitzen sich in Zeiten der (aktuellen) Krise die Forderung nach nationaler Scholle und gegen Migration zu. Anti-Euro-Bewegung, Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit findet eine ansteigende gesellschaftliche Resonanz.
Wir leben in einer Zeit, in der der Widerspruch zwischen dem, was an Wohlstand und individuellem Glück möglich wäre und dem, was Realität ist, weit auseinanderklafft. Heutzutage sind es kaum noch Ernteausfälle oder Naturkatastrophen, sondern maßgeblich die Verrücktheit des menschlichen Zusammenlebens, die für Leid und Unfreiheit verantwortlich zu machen sind. Der Nationalismus trägt hierbei eine stützende Rolle. Die zur Normalität gewordene psychische Krankheit namens Bürgerliche Subjektivität wird symptomatisch behandelt und lässt die Einzelnen im Rausch ihre alltäglichen Unzumutbarkeiten ertragen. Dabei wird diese Qual den Individuen überhaupt erst durch die bürgerliche Gesellschaft zugefügt, in dem menschliche Existenz auf Verwertbarkeit und Produktivität herunter gebrochen wird.
Gerade die deutsche „Nation“ und insbesondere ihre Geschichte sind objektiv betrachtet kaum etwas, worauf man sich positiv beziehen könnte. Wer etwas anderes behauptet, ist in der Logik des Nationalismus befangen und nicht in der Lage das eigene Lebenskonzept kritisch zu hinterfragen.
Die Unreflektiertheit der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland über diesen Sachverhalt ist offensichtlich.
Klar ist, dass nicht alle Nazis sind, die mit Deutschlandfahne auf der Fan-Meile stehen, aber es sind Nationalist_innen. Und Nationalismus ist niemals, auch nicht beim Fußball, unverfänglich. Die aktiv ausschließende Komponente, die Einteilung von Menschen in Freund und Feind und nicht zuletzt die Grenzverschiebung zum rechten Rand sind ein gefährliches Potenzial der Deutschlandeuphorie, die seit einigen Jahren immer während Fußballgroßereignissen stattfindet.
Der deutsche Nationalismus drückt sich nicht nur in rechtsradikalen Subkulturen und der konkreten physischen Bedrohung für vermeintlich „Fremde“ aus, sondern ist ein gesellschaftliches Prinzip der bürgerlichen Welt. Standortkonkurrenz, Wettbewerb, Exklusivität und Behördlicher, sowie Alltagsrassismus sind die Folgen. Die Totalität der normativen Vorstellungen von dem, was deutsch ist und was nicht, wird durch Zwang den Individuen aufgedrückt. Für uns ist die Falschheit der Gesellschaftlichen Konstitution unerträglich.
Da nun das nächste Fußballgroßereignis in Form der Männer-Fußball-WM in Brasilien ansteht und davon auszugehen ist, dass dies wieder mal für einen weiteren Höhepunkt im Schwarz-Rot-Goldenen Taumel führt, nehmen wir dies zum Anlass gegen den Deutschen Nationalismus zu demonstrieren.
Für eine Gesellschaft, die das gute Leben für Alle ermöglicht!
Freie Assoziation statt kollektivem Wahn!
Allez, les enfants!
Gegen Nation und Mythos
05.07.2014 | Campus Bockenheim FFM | 1400 Uhr